Ich weiß, ich weiß. An so vielen Stellen weise ich darauf hin, dass wir unsere Hunde nicht vermenschlichen dürfen – und dennoch bin ich im Begriff, genau das in Bezug auf ein heikles Thema zu tun, nämlich mit der Frage: „Wie fändet ihr es, wenn man kleine Kinder oder Jugendliche hormonell manipulierte, weil sie sich ‚unbequem‘ benehmen?“ Ja, genau, ich spreche von Kastration.
Ich weiß, die Frage ist sehr provokant gestellt. Aber es ist so „normal“ geworden, die Kastration beim Hund als etwas Selbstverständliches zu sehen, dass ich hier bewusst ins andere Extrem gehe und diese Selbstverständlichkeit in Frage stelle.
Um mit uns Menschen leben zu können, müssen Hunde im Tausch für Futter, Schlafplatz und Liebe auch Einiges in Kauf nehmen. Wir entscheiden, wann und wo sie ihre Notdurft verrichten, wann sie fressen und was sie fressen, mit wem sie Zeit verbringen und nicht zuletzt eben auch, ob sie ihre Sexualität behalten dürfen!
Oft wird die Frage, ob der Hund aufs Sofa darf, oder was er zu fressen bekommen soll, unter Hundebesitzern heißer diskutiert als die Frage, ob der Hund kastriert werden soll, denn das ist ja sonnenklar! Oder?
Die Läufigkeit von Hündinnen ist naturgemäß lästig, der Trieb von jungen Rüden mehr als mühsam, was liegt also näher, als sich dieser „unerwünschten Nebenwirkungen“ mit einem Termin beim Chirurgen zu entledigen?
Gibt es überhaupt eine Alternative?
Die Antwort lautet: Wie auf allen anderen Gebieten hat sich in der Forschung auch in Bezug auf das Thema ‚Kastration’ sehr viel getan.
Man weiß heute viel genauer, wie wichtig Hormone sind, damit der Hund eine gesunde Entwicklung durchmachen kann. Man hat – eigentlich wenig überraschend, denn die Parallelen zur menschlichen Entwicklung sind unübersehbar! – , wissenschaftlich bewiesen, dass die (zugegeben mühsame) Pubertät notwendig ist, damit der Junghund zu einem entspannten, erwachsenen Hund heranwachsen kann!
Es gibt zu diesem Thema jede Menge sehr interessante und lesenswerte Literatur (siehe Buchempfehlungen)
Die These, dass alle Probleme wie Aggression, unerwünschte Hypersexualität und andere Verhaltensauffälligkeiten sich durch die Kastration in Luft auflösen, ist schon lange überholt! Vielmehr weiß man heute, dass gerade ‚Problemhunde‘ viel eher „funktional“ – also sozial angepasst, berechenbar und lenkbar – werden, wenn sie hormonell intakt bleiben! Informiere dich, sprich mit mehr als einem Tierarzt, mit anderen Hundebesitzern und Hundetrainern, bevor du eine so folgenschwere Entscheidung für deinen Hund triffst!
Falls du zu dem Schluss kommst, dass eine Kastration für deinen Hund die richtige Lösung und unausweichlich ist, dann achte darauf, dass sie erst erfolgen sollte, wenn die physische UND psychische Entwicklung des Hundes abgeschlossen ist! Hier verweise ich noch einmal auf die Buchempfehlungen!