Angstphasen während der Entwicklung deines Hundes vom Welpen zum erwachsenen Hund sind völlig normal. Sie treten in der 8. Lebenswoche, zwischen dem 4. und 5. Lebensmonat, dem 9. und 10. sowie im 13. bis 14. Lebensmonat auf.  Manchmal kommt es auch mit eineinhalb Jahren noch einmal zu so einer Phase, aber dann ist die Grundentwicklung abgeschlossen.

Während dieser Lebensabschnitte deines Hundes ist es wichtig, große Veränderungen in seinem Leben, die ihn überfordern und stressen könnten, möglichst zu vermeiden, damit er gestärkt und sicher in seine nächste Entwicklungsphase gehen kann.Wenn in einer dieser Angstphasen doch etwas passiert, er von einem anderen Hund gebissen wird oder ein Besitzer – und/oder Ortswechsel ihn aus dem Gleichgewicht bringt, kann das schwerwiegende Folgen haben, die sein, und damit auch dein ganzes weiteres Leben beeinflussen.

Die eine Seite der Angst

Hast du einen „normal“ ängstlichen Hund?

Reagiert dein Hund in nachvollziehbar ‚angsteinflößenden‘ Situationen (Gewitter, Silvester-Knallerei) ängstlich und gestresst, erholt sich aber schnell, wenn die Situation vorbei ist?

Es fällt uns verhältnismäßig leicht, so ‚konkrete’ Ängste unseres Hundes zu verstehen, wir können nachvollziehen, dass er sich vor Lärm und ihm Unbekanntem fürchtet, versuchen den Hund zu unterstützen und helfen ihm, die Situation, deren Ende absehbar ist, durchzustehen.

Wenn dein Hund Gewitterangst hat, gib ihm die Möglichkeit sich zurückzuziehen, aber bemitleide ihn nicht, sondern zeig Gelassenheit. Nur so kannst du deinem Hund das Gefühl geben, dass du die Situation unter Kontrolle hast, und es für ihn keinen Grund gibt, sich zu fürchten.

Notfalltropfen oder Globuli (gibt es auch speziell für Tiere, siehe: Oh my Dog Was brauchst Du) zeigen als unterstützende Maßnahme oft gute Wirkung.

Vor dem Jahreswechsel kannst du, wenn du weisst, dass dein Hund bei Feuerwerk und Böllern Panik schiebt, rechtzeitig mit Zylkene beginnen, einem Eiweißpräparat das bei Angstzuständen gute Wirkung zeigt. Auch hier braucht dein Hund eine ruhige Rückzugsmöglichkeit! Hier sind wieder Unterstützung und Management gefragt, nicht Mitleid!

Manche Tierärzte empfehlen Valium. Davon halte ich gar nichts, dein Hund wirkt dann zwar äußerlich ruhig, aber die innere Panik bleibt! Mit anderen Worten: Es erleichtert die Situation nur für den Besitzer, nicht aber für den Hund!

Bei manchen Hunden resultiert auch aggressives ‚Revierverhalten‘ gegenüber fremden, ‚eindringenden‘ Menschen oder Hunden aus Angst. (Siehe: Oh my Dog hat ein Problem, Aggression) Auch hier ist es wieder wichtig, dem Hund zu vermitteln, dass du die Situation unter Kontrolle hast. Du sagst an, nicht dein Hund! Gib ihm eine Möglichkeit sich zurückzuziehen, wenn er mit einer Situation überfordert ist, aber mach klar, dass du entscheidest wer dein Haus betritt, nicht er!

Die andere Seite der Angst

  • Hast du einen „abnormal“ ängstlichen Hund?
  • Zuckt dein Hund bei jedem Geräusch zusammen?
  • Lässt er sich von neuen Situationen leicht verunsichern?
  • Ist es ihm unmöglich, sich auf der Straße entspannt zu bewegen?
  • Nimmt dein Hund selten bis nie von sich aus zu andern Hunden Kontakt auf?
  • Empfindet er fremde Menschen immer als potenzielle Bedrohung?
  • Verharrt dein Hund oft starrend in verkrampfter Haltung?
  • Kann er sich auch im Schlaf nicht richtig entspannen?

Dann handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um einen ‚Angsthund‘!

Die generalisierte Angststörung kann in unterschiedlich starker Ausprägung vorkommen, ist für uns Menschen nicht nachvollziehbar, und, gleich vorweg: sie ist nicht „heilbar“!

Aber: Du kannst deinem Hund trotzdem ein qualitativ hochwertiges Leben bieten und viel Spaß mit ihm haben, wenn du ein paar Maßnahmen beachtest.

Es stimmt, du hast nicht diesen hochfunktionalen, ‚idealen‘ Hund, der immer an deiner Seite alle Abenteuer mitmacht und belastbar ohne Ende ist, wie wir es aus zahlreichen Filmen kennen.

Allerdings ist in mir sowieso längst der Eindruck entstanden dass viele Hundebesitzer das Gefühl dafür verloren haben, was hundegerechte Freizeitaktivität ausmacht! Der Hund muss mit, ganz egal wann, wie lange und wohin! Kaum jemand denkt noch darüber nach, ob die Situation, mit der man den Hund ‚zwangsbeglückt‘, ihm auch entspricht!

Die Einkaufsstraßen sind voll mit gestressten Hunden, deren Menschen am anderen Ende der Leine sich wohl noch nie überlegt haben, wie die Shoppingtour aus der Hundeperspektive aussieht:  Ein Labyrinth aus Beinen, eine Explosion von künstlichen Gerüchen, Sinneseindrücke ohne Ende und keine Zeit sie zu verarbeiten! Akute Reizüberflutung!

Leute, ich hab das früher auch gemacht. Ich hatte eine Hündin, die widerspruchslos alles mitgemacht hat. Also habe ich sie zum Einkaufen mitgenommen und in laute, verrauchte Lokale. Ich hab sie vor Geschäften angebunden und sie wirklich allem ausgesetzt wovon ich heute meinen Klienten dringend abrate! Denn heute weiß ich: Nur weil sie es ausgehalten hat, war es noch lange nicht gut für sie!

Also, entschuldige bitte, Sunny!

Alissa, meine Angsthündin, die mich seit Juli 2008 begleitet, hat mir in diesem Punkt viel beigebracht: Sie zeigt mir viel schneller, was geht und was gar nicht geht! Die ersten 2 Jahre waren eine Katastrophe! Wir haben lang überlegt, ihr einen Platz zu suchen, der ihr nicht soviel abverlangt. Vielleicht wäre sie auf dem Land, mit weniger Außenreizen, weniger Lärm, – kurz: weniger Stressfaktoren – , besser aufgehoben? Und dann haben wir begonnen, in ruhiger, entspannter Atmosphäre mit ihr zu arbeiten. Bei einer tollen Trainerin konnten wir Alissas und unseren Horizont erweitern!

Und so konnte ich auch Alissas andere Seite kennenlernen: Ja, sie hat vollkommen irrationale Ängste  die mich einiges an Nerven kosten (wenn sie sich zum Beispiel bei Spaziergängen auf einsamen Forstraßen im Zwei-Sekunden-Rhythmus nach imaginären Verfolgern umdreht), aaaber: Alissa ist auch genial!

Ich weiß, fast jeder Hundebesitzer denkt das von seinem Hund, und das ist auch gut so! Hunde sind ja auch generell genial, ganz besonders, wenn man ihre Fähigkeiten und Begabungen fördert!

Doch Alissa hat uns besonders überrascht, denn trotz ihrer Angststörung und der daraus resultierenden besonderen Bedürfnisse war da eine unglaubliche Begierde, Neues zu lernen! Sie wollte immer mehr arbeiten, immer noch was und noch was lernen – und das, obwohl sie in einem Ausmaß Angst zeigt, das jeden Rahmen sprengt!!

Eine der Ursachen ihrer Angststörung ist mit größter Wahrscheinlichkeit ihre viel zu früh erfolgte Kastration. Alissa kam mit viereinhalb Monaten bereits kastriert von einer „Rettungsorganisation“ aus Rumänien zu uns. Diese Frühkastration quasi noch im Babyalter hat ihr vermutlich die letzte Chance auf ein normales, hormongestütztes Leben geraubt!

(Siehe auch: Prof. Udo Ganslosser Kastration beim Hund)

2013 habe ich bei Prof. Ganslosser ein Seminar zum Thema ‚Angst, Stress, Trauma und Phobie beim Hund‘ besucht und danach die Beratung ‚Einzelfelle‘ von ihm und Dr. Sophie Strodtbeck in Anspruch genommen. Was ich dabei lernen durfte, hat bei Alissa noch mal einen Riesenschritt nach vorne bewirkt!

Die Kastration hat eine normale Hormonausschüttung verhindert, und sie in einer der frühen Angstphasen quasi „eingefroren“. Und war auch verantwortlich für Alissas viel zu niedrige Schilddrüsenwerte.

Wir haben mit einer Schilddrüsenhormon- Ersatztherapie nach genauer Anweisung und unter Aufsicht unserer Tierärztin begonnen und … hurra! … schon nach ganz kurzer Zeit hat ihre Geräuschempfindlichkeit deutlich abgenommen und ihr Gesamtbefinden sich dramatisch verbessert!

Alissa ist und bleibt ein Angsthund aber ihre Lebensqualität ist durch die Behandlung deutlich gestiegen – und damit natürlich auch meine!!!

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