Wie bei jedem Thema, das die Psyche unseres Hundes betrifft, geht es auch hier um unser Einfühlungsvermögen dem Tier gegenüber. Wir haben einen Hund vom Züchter oder von einer der vielen Hilfsorganisationen zu uns geholt und beschlossen, ihm ein Zuhause zu geben – soweit, so gut! Im besten Fall hast du dir sehr genau überlegt, dass du für viele Jahre eine Verpflichtung eingegangen bist, dass es manchmal unbequem und in jedem Fall zeitaufwändig sein wird, Hundebesitzer zu sein! Hervorragend! Vielleicht hast du dir Urlaub genommen, um dem neuen Mitbewohner den Start zu erleichtern? Super! Und du hast auch schon geklärt, wer sich um deinen Hund kümmert, wenn du mal ohne ihn auf Urlaub fahren willst? Toll!
Bei einem Welpen oder Junghund hast du in der Anfangsphase viel zu tun. Er soll stubenrein werden und sich an unseren Zeitplan gewöhnen. Er soll lernen, wann er sich ruhig verhalten soll und welche Teile der Wohnung und/oder Einrichtung für ihn tabu sind. Das alles braucht viel Zeit und Geduld – vielleicht mehr, als du erwartet hast?
Wenn wir einem erwachsenen Hund einen Neustart ermöglicht haben, der mit einer (oft traumatischen, manchmal unbekannten) Vorgeschichte zu uns kommt, wird auch dieser Hund uns viel Zeit und Engagement abfordern. Immer wieder sehen wir uns damit konfrontiert, den Hund alleine lassen zu müssen – Hunde werden nicht überall geduldet und oft ist es auch für den Hund selbst weniger belastend, wenn er – auch alleine – in der vertrauten Umgebung bleiben kann, anstatt in eine hundeunfreundliche Umgebung mitgenommen zu werden.
Das Alleine Bleiben ist aus einem einleuchtenden Grund so ein großes Thema: Indem wir unseren Hund alleine lassen, bringen wir ein Rudeltier in eine Situation, die gänzlich wider seine Natur ist! Für den Hund ist es also eine Großleistung, alleine bleiben zu können, ohne dabei emotional völlig zu entgleisen! Hunde können lernen, mit dieser für sie stark verunsichernden Situation umzugehen und sie als ‚nicht bedrohlich‘ einzustufen. Was sie dazu neben ihrer enormen Lernfähigkeit noch brauchen? Etwas Geduld von unserer Seite! Je kleiner die Schritte sind, in die wir Lernthemen aufgliedern, desto schneller kommt der Erfolg und desto mehr prägt sich das Lernergebnis ein!
Hier erwartet dich:
Wir wissen also, dass das Rudeltier Hund nicht gern alleine bleibt, stellen uns also folgende Frage:
- Wann akzeptiert ein Hund am ehesten ein Verhalten von uns, das er nicht kennt und das ihn verunsichert? Wenn er müde ist!
- Was macht den Hund müde? Spaziergang, Spiel und andere Aktivitäten!
- Wie lernt der Hund, alleine zu bleiben?
- In Minischritten! Und:
- Gleich von Anfang an!
Aber Achtung! Mit „Anfang“ ist hier nicht die Welpenzeit gemeint! Welpen sind Babys und sollten überhaupt nicht allein gelassen werden!
Sie brauchen – wie ein menschliches Baby – fast rund um die Uhr Zuwendung und Aufmerksamkeit. Ein Welpe,
der acht Stunden allein gelassen wird, weil seine Besitzer arbeiten, ist völlig überfordert und dauergestresst. Nur die allerstabilsten Hundepersönlichkeiten überstehen eine solche Vernachlässigung ohne Trauma!
Nun aber die Anleitung zum Alleine sein in drei Schritten:
Du gehts mit dem Hund Gassi, lässt ihm genügend Zeit, für seine tägliche Zeitung – das beschäftigt Nase und Kopf und macht müde! Anschließend verlässt du den Raum – oder gleich die Wohnung – wartest drei Sekunden – einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig – und kommst wieder zurück!
Vielleicht hat dein Hund nicht mal richtig Zeit gehabt, zu checken, dass du weg warst! Gut!
Diesen Ablauf wiederholst du ein paar Tage lang!
Die Routine bleibt die Gleiche, nur dass du die Dauer deiner Abwesenheit auf eine Minute erhöhst! Wenn dein Hund zu jammern beginnt, warte auf eine „Jammerpause“ und komm wieder zurück! Vermeide dramatischen Abschiede oder Begrüßungen!
Je „normaler“ es wird, dass du gehst und wiederkommst, umso besser!
Auch diesen Ablauf wiederholst du ein paar Tage lang!
Nun steigerst du die Länge der Abwesenheit auf 5 Minuten! Das ist für deinen Hund schon seeeehr lange!! Sollte er zu jammern beginnen, warte wieder auf eine Atempause, in der er nicht jault, fiept, bellt oder kreischt (Ja, auch das gibt es!) und komm wieder, wenn er gerade ruhig ist! So lernt er, dass „es“ (das Alleinsein) aufhört, wenn er ruhig ist und nicht durch Jammern beendet oder verkürzt wird!
Gib also deinem Hund Zeit zum Lernen!
Je mehr Geduld du jetzt beweist, umso leichter hast du es (und hat dein Hund es!) in der Zukunft!
Je müder dein Hund ist, desto leichter verkraftet er das Alleinsein!
Je kleiner die Lerneinheiten, desto größer der Erfolg!
Überlass deinem Hund nicht die ganze Wohnung oder das ganze Haus wenn du ihn alleine lässt! Je kleiner das Revier und je besser die Rückzugsmöglichkeit, desto leichter ist es für deinen Hund! Vor dem Hintergrund dessen, was ich heute weiß, würde ich einen Hund nie mehr alleine halten. Hunde sind nun mal Rudeltiere, und im Rudel fühlen sie sich sicherer und sind entspannter. Zwei Hunde empfinden ihren Verband bereits als „Rudel“ und verkraften das Alleinsein viel besser.
Falls es die Möglichkeit gibt, deinen Hund in die Arbeit mitzunehmen, nütze sie!
Hunde verbessern das Arbeitsklima ganz gewaltig, immer vorausgesetzt, sie sind erzogen und auf den Büroalltag vorbereitet! Es gibt sogar spezielle Bürohundekurse!
Nicht jeder ist so verrückt nach Hunden wie du! Also bitte, nimm Rücksicht auf deine Arbeitskollegen!
Und zum Abschluss dieses Kapitels noch ein paar Worte zu den „Hundeparkplätzen“ vor Supermärkten: Genau genommen sind es nur drei Worte: Benütz’ sie nicht!
Dein Hund muss beim Einkaufen nicht dabei sein! Für genau diese Fälle trainieren wir das Alleine Bleiben. Vor dem Geschäft angebunden zu sein, womöglich in einer belebten Einkaufsstraße, ist für den Hund Stress pur! Ob es der wohlmeinende Fremde ist, der deinem Hund den Kopf tätschelt, ein kleines Kind, das ihn ungeschickt antatscht oder gar ein Hundehasser, der deinem Hund gegenüber brutal wird: nur drei mögliche Situationen, die außer Kontrolle geraten können – und drei von tausend Gründen, warum du deinen Hund nicht vor einem Geschäft anbinden solltest!